Top 10 Normen und Richtlinien zum Erstellen einer Technischen Dokumentation
Gut zu wissen: Normen spiegeln den Stand der Technik wider, sind jedoch keine Gesetze. Daher müssen Normen im Allgemeinen nicht zwingend angewandt werden – es sei denn, dies wird von einem Gesetz oder von einer Verordnung ausdrücklich so gefordert.
Alleine durch das Einhalten bestimmter Normen wird eine Technische Dokumentation daher auch nicht automatisch „rechtssicher“ oder „rechtskonform“, wie manche Versprechen Glauben machen. Allerdings ist es im Haftungsfall durchaus vorteilhaft, nachweisen zu können, dass die relevanten Normen berücksichtigt wurden. Denn damit ist allgemein davon auszugehen, dass die Dokumentation dem Stand der Technik entspricht (zumindest dem Stand der Technik zum Zeitpunkt des Entstehens der Norm) und dass beim Erstellen der Technischen Dokumentation mit der notwendigen Professionalität und Sorgfalt vorgegangen wurde. Ganz unabhängig von der rechtlichen Seite basieren die meisten Normen auf einem reichen Erfahrungsschatz und enthalten viel wertvolles Know-how, das sich nicht nur Konstrukteure, sondern auch Redakteure zu Nutzen machen sollten.
Anders als mit Normen verhält es sich mit EU-Richtlinien und EU-Verordnungen: EU-Richtlinien müssen von den Mitgliedsstaaten in eigene Gesetze umgesetzt werden und erhalten damit dann auch eine rechtliche Bindung. So finden sich in Deutschland beispielsweise die Anforderungen aus der EU-Maschinenrichtlinie im Produktsicherheitsgesetz wieder. Im Gegensatz zu EU-Richtlinien besitzen EU-Verordnungen sogar unmittelbar Gesetzeswirkung und müssen nicht mehr von den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgesetzt werden. Dies gilt beispielsweise für die Maschinenverordnung. Auch diese ist damit bindend.
Die nachfolgend als Top 10 aufgeführten Normen und Richtlinien sind bei Weitem nicht alle Standards, die beim Erstellen einer Technischen Dokumentation möglicherweise zu berücksichtigen sind. Sie bilden jedoch den Kern, auf den es in der Praxis in den meisten Fällen maßgeblich ankommt.
Je nach zu dokumentierendem Produkt können darüber hinaus weitere, insbesondere produktspezifische Normen und Richtlinien relevant sein.
Maschinenrichtlinie, Maschinenverordnung, Medizinprodukteverordnung
Ist ein Produkt eine Maschine, ist hierfür die Maschinenrichtlinie 2006/42/EG zu beachten. Diese Richtlinie behandelt nicht nur die Anforderungen an die Konstruktion, sondern auch inhaltliche und formale Anforderungen an die Technische Dokumentation zur Maschine. Hierzu zählt insbesondere, welche Dokumente mitgeliefert werden müssen und was die Betriebsanleitung zu beinhalten hat. Entscheidend hierfür ist insbesondere das Ergebnis einer Risikoanalyse (siehe hierzu auch DIN EN ISO 12100).
Zudem enthält die Maschinenrichtlinie zahlreiche Regelungen für das Inverkehrbringen von Maschinen sowie Anforderungen an die Sicherheit und den Gesundheitsschutz. Der Hersteller einer Maschine muss sicherstellen, dass Risiken minimiert sind und unvermeidbare Restrisiken in der Betriebsanleitung genannt sind und mit adäquaten Warnhinweisen darauf hingewiesen wird. Für eine unvollständige Maschine gilt Analoges für die Montageanleitung.
Auch für die Konformitätserklärung (CE-Kennzeichnung) ist das Erstellen einer Technischen Dokumentation Voraussetzung.
Für ab dem 20.01.2027 in Verkehr gebrachte Maschinen ersetzt die Maschinenverordnung (EU) 2023/1230 die Maschinenrichtlinie 2006/42/EG.
Für Medizinprodukte gilt analog die Medizinprodukteverordnung (MDR = Medical Device Regulation). Als EU-Verordnung besitzt sie ähnlich der Maschinenverordnung unmittelbare Gesetzeswirkung. Hinsichtlich der Technischen Dokumentation enthält die Verordnung eine Reihe spezifischer Regeln, unter anderem hinsichtlich Inhalten, Struktur und Aktualität.
DIN EN ISO 12100
„Sicherheit von Maschinen – Allgemeine Gestaltungsleitsätze – Risikobeurteilung und Risikominderung“
Die Norm DIN EN ISO 12100 beschäftigt sich speziell mit der Risikobeurteilung von Maschinen, wie sie von der Maschinenverordnung und Maschinenrichtlinie gefordert wird. Damit dient sie als Leitfaden, um sicherzustellen, dass Produkte den erforderlichen Sicherheitsstandards entsprechen und eventuelle Restrisiken minimiert sind.
Die Norm DIN EN ISO 12100 betrifft damit in erster Linie die Konstruktion und nicht direkt die Technische Dokumentation. Allerdings ist ein wichtiges Ergebnis der Risikoanalyse die genaue Auflistung der notwendigen Warnhinweise mit entsprechenden Signalwörtern. Diese Aufstellung dient wiederum als Vorgabe für die Technische Dokumentation.
DIN EN IEC/IEEE 82079-1
„Erstellung von Nutzungsinformationen (Gebrauchsanleitungen) für Produkte - Teil 1: Grundsätze und allgemeine Anforderungen“
Die Norm DIN EN IEC/IEEE 82079-1 ist die wichtigste allgemeine, branchenunabhängige Norm zum Erstellen einer Technischen Dokumentation. Die Norm beschreibt, was beim Erstellen von Gebrauchsanleitungen zu beachten ist: vom Strukturieren der Informationen bis hin zum Aufbereiten und Darstellen der Inhalte.
Die Norm hat einen horizontalen Charakter, was bedeutet, dass parallel zu ihr auch sektor- oder produktspezifische Normen angewendet werden können und sollen.
Insbesondere behandelt die Norm DIN EN IEC/IEEE 82079-1 folgende Themen:
- Begriffe
- Anforderungen an Nutzungsinformationen
- Grundsätze (Informationstypisierung, Zielgruppenorientierung, sichere Nutzung des beschriebenen Produkts, Anforderungen an die Informationsqualität hinsichtlich Vollständigkeit, Minimalismus, Korrektheit, Prägnanz, Konsistenz, Verständlichkeit, Barrierefreiheit, reproduzierbarer Lebenszyklus der Informationsprodukte)
- Informationsmanagement-Prozess
- Inhalt von Nutzungsinformationen
- Struktur, sowohl im Groben (Kapitelstruktur) als auch im Detail (z. B. Struktur von Schritt-für-Schritt-Anleitungen)
- Medien und Darstellung von Nutzungsinformationen, Nutzerinteraktion und Suchfunktionen, Downloadbarkeit, Lesbarkeit etc.
- Berufliche Kompetenzen der am Erstellen der Technischen Dokumentation beteiligten Personen
Damit fasst die Norm im Wesentlichen das zusammen, was ein professioneller Technischer Redakteur in seiner Ausbildung lernt. Rezeptähnliche Checklisten oder Anweisungen bietet die Norm allerdings nicht, sondern legt primär nur die Rahmenbedingungen und Prinzipien fest, nach denen die Dokumentation erstellt und aufgebaut werden soll. Damit lässt die Norm Experten einen gewissen Freiraum für ein produktspezifisches Ausgestalten der Technischen Dokumentation.
ANSI Z535.6
„American National Standard for Product Safety Information in Product Manuals, Instructions, and Other Collateral Materials“
Das American National Standards Institute (ANSI) ist das amerikanische Pendant zum Deutschen Institut für Normung (DIN). Die Norm ANSI Z535.6 befasst sich detailliert mit dem Gestalten von Sicherheits- und Warnhinweisen in Dokumenten. Da sich in den deutschen und europäischen Normen hierzu nur wenige konkrete Angaben finden, dient die ANSI Z535.6 auch in Europa für Sicherheits- und Warnhinweise als wichtiger Maßstab.
Die ANSI Z535.6 kategorisiert die Sicherheitshinweise in Bezug auf deren Position und Funktion im Dokument und legt Darstellungsformen für die einzelnen Kategorien an Sicherheitshinweisen fest.
Insbesondere regelt die Norm die Unterteilung von Warnhinweisen in die bekannten Kategorien „Gefahr“, „Warnung“, „Vorsicht“ und „Achtung“ und legt fest, was diese Warnhinweise jeweils beinhalten sollen: Signalwort, die Art der Gefahr, mögliche Folgen sowie Maßnahmen zum Vermeiden der Gefahr. Übrigens fordert die Norm ANSI Z535.6 nicht die häufig anzutreffende, übertrieben auffällige Gestaltung von Warnhinweisen, sondern eine Gestaltung, die den Lesefluss nicht zerstört und ein Dokument nicht vor lauter Warnhinweisen kaum noch lesbar macht.
Ziel ist es, eine stärkere Vereinheitlichung und höhere Qualität von Sicherheitsinformationen zu erreichen, damit die Benutzer der in der Technischen Dokumentation beschriebenen Produkte diese Informationen schnell erkennen und sicher verstehen können.
ISO/IEC/IEEE 26511 bis 26515
Die Normenreihe ISO/IEC/IEEE 26511 - 26515 behandelt speziell das Thema Softwaredokumentation im gesamten Lebenszyklus der Benutzerinformation: Von der Planung bis zum Test der Verständlichkeit – insbesondere auch in einer agilen Entwicklungsumgebung.
Im Hinblick auf Softwaredokumentation sind vor allem die Normen ISO/IEC/IEEE 26514 und ISO/IEC/IEEE 26515 interessant.
ISO/IEC/IEEE 26514
„Systems and software engineering – Design and development of information for users (System- und Software-Engineering – Design und Entwicklung von Informationen für Anwender)“
Diese Norm befasst sich schwerpunktmäßig mit dem Informationsbedarf der Endanwender. Sie definiert Anforderungen an Layout, Struktur und Inhalt und bietet dazu auch einige Checklisten. Dabei enthält die Norm auch viele Punkte, die eigentlich nicht spezifisch nur für Softwaredokumentation relevant sind, sondern sich auch auf Technische Dokumentation im Algemeinen anwenden lassen.
ISO/IEC/IEEE 26515
„Systems and software engineering – Developing user documentation in an agile environment (Software und System-Engineering – Entwickeln von Informationen für Benutzer in einer agilen Umgebung)“
Diese Norm richtet sich speziell an Personen, die in agilen Umgebungen arbeiten und enthält Vorgaben für Erstellen und Verwalten von Informationen innerhalb einer solchen agilen Entwicklungsumgebung.
DIN EN ISO 17100
„Übersetzungsdienstleistungen – Anforderungen an Übersetzungsdienstleistungen“
Wenn Ihre Technische Dokumente in Fremdsprachen übersetzt wird, liefert diese Norm Regeln hinsichtlich optimaler Arbeitsabläufe und Qualitätsanforderungen der Übersetzung.
Die Norm DIN EN ISO 17100 beschreibt in erster Linie wichtige Aspekte des Übersetzungsprozesses und von Übersetzungstechnologien und definiert die erforderliche Qualifikation der Übersetzer. Sie enthält jedoch wenig Angaben zur inhaltlichen Übersetzungsqualität. Hierzu liefert DIN ISO 5060 „Übersetzungsdienstleistungen – Evaluierung“ weitere Hinweise.
iiRDS
„Intelligent Information Request and Delivery Standard“
iiRDS ist ein Standard mit dem Ziel, „intelligente Informationen“ zu erstellen, austauschen und anzeigen zu können. Anders als bei klassischer Technischer Dokumentation (Handbücher) bestehen solche „intelligente Informationen“ aus modularen, mit Metadaten versehenen Informationsbausteinen. Je nach Situation und Kontext, in denen ein Benutzer diese Informationen benötigt, kann ein sogenanntes Content-Delivery-Portal diese Informationen „intelligent“ auf die Situation und den Nutzer bezogen zusammenstellen und anzeigen.
Da es sich um einen Standard handelt, können dabei auch Informationen aus unterschiedlichen Quellen zusammenfließen, unabhängig davon, wer diese Informationen erstellt hat und mit welchem Redaktionssystem sie erstellt wurden.
VDI-Richtlinie 2770
„Betrieb verfahrenstechnischer Anlagen – Mindestanforderungen an digitale Herstellerinformationen für die Prozessindustrie“
VDI-Richtlinie 2770 verfolgt ähnlich wie iiRDS einen standardisierten Austausch digitaler Informationen. Die VDI-Richtlinie 2770 legt ihr Augenmerk jedoch nicht auf kleine Informationsbausteine (Topics), sondern auf ganze Dokumente (PDF-Dateien).
Ziel ist hier weniger der kontextabhängige Zugriff als das effiziente Zusammenführen umfangreicher Dokumentationen aus unterschiedlichen Quellen und das Erleichtern des Zugriffs auf diese Informationssammlungen. Dafür standardisiert die Richtlinie Klassifikation, Identifikation, Struktur und Format.
VDI-Richtlinie 2770 ist in erster Linie für den Anlagenbau, die Verfahrenstechnik und Prozessindustrie und deren Zulieferer relevant. Für die dort häufig sehr komplexen Gesamtsysteme verspricht die Richtlinie eine deutliche Verbesserung bei der Organisation der Dokumente.
tekom-Leitlinie „Regelbasiertes Schreiben
“
„Deutsch für Technische Kommunikation“
Wer im Detail konkrete Fragen zur Texterstellung hat, findet in der tekom-Leitlinie „Regelbasiertes Schreiben“ oft konkretere Antworten als in der allgemeinen Norm IEC/IEEE 82079.1.
Die tekom-Leitlinie „Regelbasiertes Schreiben“ bietet klare Richtlinien und Empfehlungen für das Verfassen Technischer Dokumentationen. Die Leitlinie betont die Bedeutung von klaren, präzisen und leicht verständlichen Informationen. Sie legt Wert darauf, dass technische Texte durchgehend und konsistent formuliert werden, um Verwirrung zu vermeiden und die Lesbarkeit zu verbessern. Die Leitlinie ermutigt außerdem zum Verwenden einer standardisierten Terminologie und zum Vermeiden von Fachjargon, um die Verständlichkeit zu verbessern.
Angefangen bei der Dokumentgliederung über Verständnishilfen, wie Querverweise und Indexeinträge bis hin zu Satzstruktur, Wortwahl und Kommasetzung finden Technische Redakteure in der Leitlinie viele Regeln, die ihnen die tägliche Arbeit erleichtern.
Wertvoll sind außerdem die vielen in der Leitlinie enthaltenen praxisnahen Beispiele.
Im Redaktionsalltag nutzen viele Technische Redakteure die tekom-Leitlinie als eine Art Redaktionsleitfaden oder als Basis für einen hauseigenen Redaktionsleitfaden.
ASD STE 100
„Simplified Technical English (STE)“
Ähnlich der tekom-Leitlinie „Regelbasiertes Schreiben“ gibt es für englischsprachige Technische Dokumentation den Standard ASDSTE100 „Simplified Technical English“. Ursprünglich wurde dieser Standard für die Dokumentation in der Luftfahrtindustrie und im militärischen Bereich genutzt, bietet aber auch als generelles Regelwerk viele wertvolle Ansätze für eine einfache Sprache.
Den Kern des Standards bilden eine Terminologieliste erlaubter Wörter sowie generelle Regeln für einen kontrollierten, einfachen Satzbau. Hier gibt es auch viele Parallelen zur tekom-Leitlinie „Regelbasiertes Schreiben“.

Bild: © Marc Achtelig
Nicht alle Produkte sind vollständig selbsterklärend. Eine verständliche Technische Dokumentation ist dann unerlässlich.